Berlin, 23. Juni 2023. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sind gesetzlich verpflichtet, die ambulante ärztliche Versorgung aller gesetzlich Versicherten in Deutschland sicherzustellen. „Dieser Verpflichtung wird nicht nachgekommen. Patienten mit chronischen Schmerzen werden seit Jahren als Stiefkinder behandelt, denen eine schmerzmedizinisch adäquate Behandlung aufgrund von Strukturmängel vorenthalten wird. Wir sind uns mit dem Gemeinsamen Bundesauschuss einig, dass die Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten in Deutschland weder quantitativ noch qualitativ sichergestellt ist. Es besteht ein Mangel an multidisziplinär und –professionell ausgerichteten Schmerzzentren und es fehlt an Spezialisten der medizinischen, psychologischen, therapeutischen und pflegerischen Versorgung“, erklärte Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD).
In Deutschland leben rund 4 Millionen Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen. Von diesen Patienten könnten heute in Deutschland nur etwa 400.000 Patienten von einem der rund 1.300 ambulant tätigen Schmerzmedizinern im Quartal schmerzmedizinisch versorgt werden, so Nadstawek.
Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen benötigten in der Regel eine Therapie durch Schmerzspezialisten, bei der verschiedene Methoden kombiniert werden, die sog. interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie. Nadstawek: „Eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie kann aktuell jedoch nur in rund 450 Krankenhäusern durchgeführt werden. Im ambulanten Bereich ist eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie überhaupt nicht in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vorgesehen. Wir haben keinen Facharzt für Schmerzmedizin und keine Bedarfsplanung. Die schmerzmedizinische Versorgung läuft auf Grund, wenn nicht schnell von den Verantwortlichen reagiert wird. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgestellten Strukturmängel müssen endlich angegangen werden.“
Lösungsmöglichkeiten sieht der BVSD in der Einführung eines von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Kassenärztlichen Vereinigungen und dem BVSD entwickelten Konzept zur multimodalen Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Damit könne die ambulante Schmerzmedizin im Sinne einer SAPV-Palliativversorgung weiterentwickelt werden. Außerdem: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe fördert seit 2022 bislang als einzige KV die Zusatzweiterbildung Spezielle Schmerztherapie. Damit erhöhten sich die Chancen erheblich, den dringend benötigten schmerzmedizinischen Nachwuchs zu gewinnen, so der BVSD-Vorsitzende. Der BVSD fordert, dass weitere KVen schnell diesem Beispiel folgen.
Bei der geplanten Krankenhausreform fordert der BVSD von den Ländern und vom Bund eine klare Zusage, dass die Schmerzmedizin als eigenständige Leistungsgruppe definiert und fest in der Krankenhausplanung verankert wird, um die zunehmende Anzahl von Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen zukünftig sach- und bedarfsgerecht teil- und vollstationär versorgen zu können.