Schmerzmedizinische Versorgung bricht ein – BVSD fordert politisches Investment

Berlin, 24. Juni 2022. Die Lage der schmerzmedizinischen Versorgung in Deutschland verschärft sich drastisch. Schmerzexperten schlagen Alarm. „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, haben wir in fünf Jahren bundesweit nur noch knapp 700 niedergelassene Schmerzmedizinerinnen und Schmerzmediziner. Wie sollen damit 4 Millionen Patienten mit schweren chronischen Schmerzen versorgt werden? Ich nenne das mit offenen Au-gen in den Abgrund rennen“, erklärte Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD). Der BVSD-Vorsitzende fordert tiefgreifende Reformen und Strukturanpassungen.

Chronische Schmerzen können jeden treffen. Die Zahl der chronischen Schmerzpatienten ist hoch und steigt, es fehlt jedoch an qualifizierten Schmerzmedizinern. Die Unterversorgung der schmerzmedizinischen Versorgung sei nicht mehr wegzudiskutieren, so Nadstawek, In Deutschland leben rund 4 Millionen Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen. Von diesen Patienten können heute in Deutschland nur etwa 400.000 Patienten von einem der 1.329 ambulant tätigen Schmerzmedizinern im Quartal versorgt werden. In fünf Jahren stehen 49 Prozent der heute tätigen Schmerzmediziner vor dem Ruhestand. Das Durchschnittsalter von Schmerzmedizinern liegt mehr als vier Jahre höher als der Altersdurchschnitt aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.

„Wir haben keinen Facharzt für Schmerzmedizin und keine Bedarfsplanung. Wir brauchen dringend mehr Schmerzmediziner. Nicht nur um die Versorgungslücke zu schließen, sondern um dringend benötigten Nachwuchs zu gewinnen. Die Politik muss endlich aktiv werden, die Rahmenbedingungen verbessern und die Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen endlich zum Laufen bringen. Die ambulante Schmerzmedizin muss attraktiver werden“, sagte Nadstawek.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenärztliche Vereinigungen und der BVSD haben ein Konzept zur multimodalen Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung erarbeitet (SASV: Spezialisierte ambulante Schmerzversorgung). Dies gelte es jetzt umzusetzen, forderte der BVSD.

Nadstawek: „Mit der SASV könnten wir Schmerzpatienten endlich auch im ambulanten Be-reich multimodal und interdisziplinär versorgen. Das wäre ein Meilenstein zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages. Außerdem: Die SASV wird den Wünschen vieler Ärztinnen und Ärzte gerecht nach Teamarbeit, nach festen Arbeitszeiten, nach interdisziplinärer und multiprofessioneller Zusammenarbeit.“

Nadstawek weiter: „Sowohl die KBV als auch die Krankenkassen bremsen die Einführung der SASV in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir brauchen deshalb jetzt einen sehr hohen politischen Druck, um die Unterversorgung in der Schmerzmedizin endlich zu beseitigen und konstruktive Lösungswege zu unterstützen, mit klaren gesundheitspolitischen Vorgaben.“